„Quotentürke Quotentürke, oh Quotentürke; ganz egal wie sehr ich mich auch ändere, ich bleibe immer dieser […] Ausländer“
Dies behauptet zumindest der deutsch-türkische Rapper Eko Fresh (geb. Ekrem Bora) in seinem Hit „Quotentürke“ aus dem Jahr 2013. Was zunächst wie eine einfache Floskel scheint, ist tatsächlich nicht nur eine Stilblüte des Deutschraps, sondern deutet auf ein tatsächlich bestehendes Problem hin: die sogenannte Quotenregelung, die teilweise als große Errungenschaft gefeiert-, teilweise aber auch verachtet wird. Doch die Beantwortung der Frage, weshalb sich die Geister in dieser Hinsicht so sehr scheiden, erscheint komplexer, als man auf den ersten Blick vermuten würde.
Blicke ich auf die letzten Jahre meines Lebens zurück, so fällt mir auf, dass Quotenregelungen mir eher an den Kopf geworfen wurden, als dass ich sie selbst ausfindig gemacht habe. So erinnere ich mich beispielsweise gut daran, wie ein mir völlig fremder Mann stirnrunzelnd die Behauptung aufstellte, dass ich es nur an meine Universität geschafft hätte, da sie bestimmte Quoten zu erfüllen hätte. Kurz gesagt war er der festen Überzeugung, dass nicht mein gutes Abitur mir die Türen geöffnet hätte, sondern einzig und allein meine Staatsbürgerschaft. Dass dem selbstverständlich nicht so ist, muss ich an dieser Stelle wohl kaum noch diskutieren.
"Eine Frau in der Führungsposition? Quotenhalterin!"
Dennoch hat die Bemerkung des Fremden einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen, denn sie hat mir erstmals gezeigt, wie Menschen außerhalb der Quote über Menschen innerhalb der Quote denken können. Vor allem aber hat sie mir gezeigt, dass die Quotenregelung feindseligen Menschen eine einfache Möglichkeit gibt, mir meine gesamte Leistung abzusprechen. Dieses Problem besteht dabei nicht allein im migrantischen Kontext, sondern kommt selbstverständlich auch im feministischen Kontext auf. Eine Frau in der Führungsposition? Quotenhalterin! Na klar, warum auch nicht; es ist ja so fürchterlich einfach, ihr jede Gehirnzelle unter dem scheinbar wasserfesten Alibi der Statistik abzusprechen.
Wie ich bereits mehrfach an anderer Stelle erwähnt habe, bin ich schon früh politisch aktiv geworden. Während meiner Reise habe ich Zwischenstationen bei so manchen politischen Organisationen eingelegt, die ich gerne näher kennenlernen wollte. Und ich kann mich wirklich nicht beschweren, denn ich wurde immer herzlichst empfangen – so herzlich, dass ich direkt auf jedem Gruppenbild in der Mitte stehen durfte. Mit breitem Lächeln für die sozialen Medien und Werbeflyer.
Zwar möchte ich gerne daran glauben, dass dies primär daran liegt, dass ich fotogen bin; allerdings scheint es eine Stimme tief in mir drin besser zu wissen. „Du bist die Quote!“, flüstert sie mir leise zu, während mein Lächeln langsam schwindet. Eingeladen zu jedem Event, auf jedem Podium und auf jedem Bild, unabhängig davon, ob ich mich mit der Thematik zuvor jemals auseinandergesetzt hatte, oder nicht. Dieser Umstand stieß bei mir sauer auf, sodass ich mich komplett aus den öffentlichen Kreisen zurückzog und beschloss, weiterhin als Einzelgängerin aufzutreten.
"Der kleine Schubser, der gebraucht wird"
Während meiner Zeit als Praktikantin im Deutschen Bundestag im Herbst 2023 bekam ich Gelegenheit, mit vielen renommierten Politker*innen zu sprechen. Darunter befand sich eine junge und sympathische MdB, deren Eltern ebenfalls eingewandert waren. Ihr gegenüber äußerte ich meine Bedenken und Sorgen hinsichtlich meines zunehmenden Gefühls, nur die Quote zu sein. Und obwohl sie mir im Kern zustimmte, überraschte mich ihre Antwort dennoch.
„Wenn dir die Bühne gegeben wird, dann nimm sie und genieß die Wärme des Scheinwerferlichtes“, nickte sie mir zu und lächelte freundlich. Dabei kam es mir im Moment so vor, als wäre ihre Antwort nichtssagend und ich mit meinem Problem kein Stück weiter.
Erst viel später verstand ich die eigentliche Message. Und auch, wenn ich mich bis heute nicht auf Fotos und Bühnen drängen lasse, auf denen ich eigentlich nichts zu suchen habe, muss ich mich bei der jungen Abgeordneten bedanken. Sie hat mir gezeigt, dass nicht jede Quotenregelung eine Herabwürdigung meiner Leistung, sondern manchmal gerade das Sprungbrett ist, das ich zum Ausgleich meines Nachteils als migrantisch gelesene Frau in der deutschen Gesellschaft brauche. Denn manchmal bedeutet die Quote nicht den stressfreien Einlauf in das Ziel, sondern jenen kleinen Schubser, der gebraucht wird, damit wirklich alle auf derselben Startlinie stehen und gleichermaßen die Möglichkeit bekommen, das Zielband zu durchtrennen.
"Ich definiere mich durch meine eigenen Handlungen und Erfolge"
Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass ich, wie Eko Fresh in seinem Song, nicht nur die „Quotenausländerin“ bin, sondern vielmehr ein Mensch mit eigenen Stärken und Schwächen, der sich in einer komplexen Welt seinen Platz erkämpft. Die Gesellschaft mag mir Rollen zuschreiben und mich durch Quotenregelungen in Schubladen stecken wollen, doch letztlich definiere ich mich durch meine eigenen Handlungen und Erfolge.
Ich bin mehr als eine Statistik, mehr als ein Platzhalter. Ich bin eine Stimme, die gehört werden will, ein Individuum, das für sich selbst steht. Und auch wenn die Herausforderungen groß sind, so ist es die Reise, die mich wachsen lässt, die mir zeigt, dass jeder Schritt, den ich mache, egal unter welchen Bedingungen, meiner ist. Der Weg mag steinig sein, doch er gehört mir, und das Ziel, das ich verfolge, ist es wert, jede Hürde zu überwinden – egal ob mit, oder ohne Quote.