Wer die Ellerstraße besucht, taucht in eine Welt der Sinne ein: Der Duft von gegrilltem Lamm, süßem Minztee und Gewürzen erfüllt die Luft. Marktstände und Geschäfte säumen die Straßen und bieten eine bunte Vielfalt an Oliven, Datteln und traditionellen marokkanischen Produkten. Menschen unterhalten sich auf Arabisch und Tamazight, während sie durch die lebhaften Straßen schlendern. Doch ein Blick auf ein Straßenschild verrät: Wir befinden uns nicht in einem marokkanischen Souk, sondern mitten in Düsseldorf.
Arabisch auf dem Straßenschild
Dieses Straßenschild der Ellerstraße trägt nicht nur den vertrauten deutschen Namen, sondern auch arabische Schriftzeichen: „شارع إلَرْ“. Es ist ein kleines, aber symbolträchtiges Detail, das zeigt, wie tief die marokkanische Kultur im Viertel Oberbilk verwurzelt ist. Oberbilk, Heimat vieler marokkanischer Familien, ist längst für seine arabisch und tamazigh geprägten Märkte, Restaurants und Geschäfte bekannt. Mit der offiziellen arabischen Beschriftung auf dem Straßenschild wird diese kulturelle Vielfalt nun auch im Stadtbild gewürdigt.
Die Ellerstraße ist heute das Herzstück der marokkanischen und arabischen Gemeinschaft in Düsseldorf. Hier reihen sich dutzende Geschäfte, Restaurants und Cafés aneinander, die authentische Produkte aus der arabischen Welt anbieten. Besucher kommen aus umliegenden Städten wie Duisburg, Essen und Dortmund, um in den Läden einzukaufen und die vielfältige marokkanische Küche zu genießen. Die Restaurants servieren Spezialitäten wie Harira, die berühmte marokkanische Suppe, und Lamm-Tajine, was der Straße den Spitznamen „Nador-Straße“ eingebracht hat – benannt nach der nordmarokkanischen Stadt, aus der viele Ladenbesitzer*innen stammen.
Das eigene Land mitgebracht
Für die marokkanische Gemeinschaft, die seit den 1960er und 1970er Jahren Teil der Stadt ist, ist die Ellerstraße weit mehr als nur ein Einkaufsziel. Sie ist ein Treffpunkt und ein Ort der Begegnung, an dem Traditionen gepflegt und weitergegeben werden. Das beobachtet auch Ladenbesitzer Mohammad. Er migrierte vor über 40 Jahren nach Deutschland. „Als ich damals kam, gab es hier nur ein Geschäft. Heute ist die Ellerstraße voll mit marokkanischen Cafés, Restaurants, Konditoreien, Büchershops bis zu Möbelgeschäften“, erzählt er. In seinem Laden gibt es neben Gewürzen, Arganöl sowie Olivenöl auch marokkanisches Kunsthandwerk – Produkte, die für viele eine wichtige Verbindung zu ihrer Heimat darstellen.
Zwischen zwei Welten
Die Geschichte der marokkanischen Migrant*innen in Düsseldorf begann vor mehr als einem halben Jahrhundert, als viele von ihnen als Gastarbeiter*innen in die Stadt kamen. Deutschland benötigte damals dringend Arbeitskräfte, und so machten sich viele Marokkaner*innen auf den Weg, um sich hier ein neues Leben aufzubauen. Was als vorübergehender Aufenthalt geplant war, entwickelte sich für viele zu einem dauerhaften Neuanfang. Heute sind die Kinder und Enkel der ersten Generation fester Bestandteil der deutschen Gesellschaft, besuchen deutsche Schulen und Universitäten, während sie gleichzeitig ihre marokkanischen Wurzeln bewahren.
Die Ellerstraße ist ein Ort, an dem diese Verbindung von Tradition und Moderne sichtbar wird. Hier leben Deutsche und Marokkaner*innen Tür an Tür, und die Grenzen zwischen den Kulturen verschwimmen zunehmend. „Unsere deutschen Nachbarn kommen oft in den Laden und kaufen Minze oder Olivenöl“, erzählt der Mitarbeiter Nabil lachend. „Manchmal sogar mehr als die Marokkaner!“
Die Heimat im Herzen getragen
Neben den Geschäften und Restaurants gibt es auch Moscheen und Hammams, die im einzigartigen Flair der marokkanischen Architektur gestaltet sind. Besonders die Moscheen spielen eine zentrale Rolle im sozialen Leben der Gemeinschaft, da sie nicht nur religiöse Orte sind, sondern auch Räume für Hochzeiten, Feste und andere gesellschaftliche Anlässe bieten. „Die Moschee ist das lebendige Herz unserer Gemeinschaft – hier verschmelzen Glaube, Kultur und Leben zu einem Puls, der uns alle verbindet“, sagt Salim, ein regelmäßiger Besucher der Omar-ibn-Al-Khattab-Moschee.
Ein weiteres Highlight des Viertels ist das „Café Mamounia“. Dieses Café am Beginn der Ellerstraße ist mehr als nur ein Ort, um Kaffee oder Tee zu trinken. Es ist ein Treffpunkt, an dem Menschen sich versammeln, um gemeinsam Fußball zu schauen, über aktuelle Ereignisse zu diskutieren oder einfach bei einem süßen Gebäck den Alltag zu vergessen. „Es fühlt sich an wie zu Hause“, sagt Mohammad, ein Stammgast, während er einen Minztee genießt.
Tradition trifft Moderne
In unmittelbarer Nähe hat sich zudem ein neues Highlight etabliert: ein traditioneller Hamam. Der Eingang ist kunstvoll aus Kupfer und andalusischen Ornamenten gestaltet. Hier können Besucher*innen bei Dampfbädern und traditionellen Massagen entspannen und die jahrhundertealte Badekultur hautnah erleben. „Sobald man die Türschwelle übertritt, fühlt man sich, als wäre man weit weg – mitten im Herzen des Orients“, schwärmt Khaled, ein begeisterter Gast.
Die Kombination aus der Ellerstraße und der nahegelegenen Kölner Straße, die ebenfalls für ihre kulturelle Vielfalt bekannt ist, zeigt das multikulturelle Gesicht Düsseldorfs in seiner schönsten Form.
In Zeiten, in denen das Thema Migration oft polarisiert, bietet die Ellerstraße ein anderes Bild: Sie zeigt, wie Kulturen friedlich und bereichernd nebeneinander existieren können. Die arabischen Schriftzeichen auf dem Straßenschild sind mehr als nur eine symbolische Geste. Sie stehen für die Verwurzelung der marokkanischen Kultur in Düsseldorf und erinnern daran, dass kulturelle Identität dynamisch ist – ein Prozess des ständigen Austauschs und der Weiterentwicklung. Hier in Oberbilk zeigt sich, dass kulturelle Vielfalt nicht nur Herausforderungen, sondern auch große Chancen und Bereicherungen für alle Seiten mit sich bringt.