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Die Achte Brigade löst sich auf

Die achte Brigade, einst eine bedeutende militärische Einheit in Südsyrien, hat ihre Auflösung bekannt gegeben. Was bedeutet das für die politische und militärische Entwicklung der Region?

Die Achte Brigade löst sich auf
Fotograf*in: Laura Jameson auf pexels.com

Die „Achte Brigade“, einst ein bedeutender militärischer Akteur im Süden Syriens, hat ihre vollständige Auflösung und die Übergabe sämtlicher militärischer Ressourcen sowie ihres Personals an das syrische Verteidigungsministerium verkündet. Dieser Schritt ist außergewöhnlich und markiert eine neue Phase in den Bemühungen der Regierung in Damaskus, Sicherheit und Stabilität in der Provinz Darʿā wiederherzustellen. Insbesondere in der Stadt Busra al-Scham und ihrer Umgebung dürfte diese Entwicklung den militärischen Einfluss lokaler Einheiten grundlegend verändern.

Ich möchte dir heute erklären, was sich hinter der Achten Brigade verbirgt und wie sie sich historisch entwickelt hat.

Die „Achte Brigade“ wurde 2018 von Russland ins Leben gerufen, nachdem das syrische Regime eine groß angelegte Offensive in Darʿā durchgeführt hatte. Die Brigade gehörte zum sogenannten „Fünften Korps“, welches ursprünglich elf Brigaden umfassen sollte und russische Interessen im Süden des Landes wahren wollte. Allerdings ließ sich dieses Konzept nie vollständig umsetzen. Entsprechend verblieb die Achte Brigade als eigenständige Kraft in der Region, zog ehemalige Rebellen an und behielt einen gewissen Grad an Autonomie – etwa in Busra al-Scham, wo sie größtenteils eigenständig operierte.

Im Rahmen einer Vereinbarung mit dem Regime übergab ihr Kommandeur, Ahmad al-ʿAudah, zwar einige schwere Waffen, sicherte sich dafür aber das Recht, weiterhin in Busra al-Scham stationiert zu bleiben. Die syrische Armee hielt sich mit direktem militärischem Eingreifen dort weitgehend zurück, sodass die Achte Brigade de facto über weitreichende Handlungsfreiheiten verfügte. Auch der Wechsel von der Zugehörigkeit zum Fünften Korps hin zur Militärgeheimdienst-Abteilung im Jahr 2021 änderte am lokalen Einfluss zunächst nur wenig.

In den darauffolgenden Jahren beteiligte sich die Achte Brigade an Kämpfen gegen IS-Zellen im Umland von Darʿā und geriet immer wieder in Spannungen mit unterschiedlichen Akteuren, darunter auch regierungsnahe Einheiten. Mit dem Sturz des früheren Regimes Ende 2024 geriet sie unter Druck, sich den neu entstehenden Machtstrukturen anzupassen.

Wie kam es jetzt zu der Auflösung?

Der unmittelbare Anstoß für die jetzige Auflösung kam durch einen Konflikt in Busra al-Scham. Eine Einheit der Achten Brigade versuchte vor wenigen Tagen, Bilāl al-Masatafā al-Miqdād (Bilāl al-Darūbī), den Kommandanten der Generaldirektion, festzunehmen. Dabei brach ein Feuergefecht aus, in dessen Verlauf Bilāl schwer verletzt wurde und nach einer Operation verstarb. Dies sorgte für große Empörung innerhalb der lokalen Gemeinschaft.

Infolge des Vorfalls entsandte das syrische Verteidigungsministerium bedeutende Truppenkontingente in das Hauptquartier der Achten Brigade in Busra al-Scham und verlangte die Auslieferung aller Verantwortlichen. Die Brigade übergab tatsächlich mehrere mutmaßlich Beteiligte. Doch die Familie des getöteten Bilāl forderte auch die Person, die den Befehl zur Tötung erteilt haben soll. Demonstrationen in der Stadt verlangten zudem das Entwaffnen der Führungskräfte der Achten Brigade.

In einer Videoerklärung vom 13. April 2025 erklärte die Führung der Achten Brigade um Oberstleutnant Muhammad al-Hawrānī (Abū ʿAṣṣām) die vollständige Auflösung der Formation sowie die Übergabe aller militärischen und personellen Ressourcen an das syrische Verteidigungsministerium. Der Hauptmann (Naqīb) Muhammad al-Qadri wurde beauftragt, den koordinierten und reibungslosen Ablauf dieses Übergangs zu gewährleisten. Über das Schicksal von Ahmad al-ʿAudah, dem bisherigen Kommandeur, wurde in der Erklärung nichts gesagt.

Parallel dazu übernahmen Kräfte der Allgemeinen Sicherheit unter dem Innenministerium sämtliche Stützpunkte und Gefängnisse in Busra al-Scham. Insgesamt 14 Inhaftierte – zehn davon wegen krimineller Anklagen, vier wegen Sicherheitsfällen – wurden in zentrale Einrichtungen nach Darʿā überführt. Moscheen in der Region riefen die Bevölkerung lautstark dazu auf, noch vorhandene Waffen ebenfalls den Sicherheitskräften auszuhändigen. Damit unterstreicht die Regierung ihre Absicht, die Kontrolle vollständig unter staatliche Autorität zu stellen.

Was bedeutet das für die syrische Politik und Sicherheit?

Die jüngste Entwicklung zeigt, dass die Regierung in Damaskus bestrebt ist, verbliebene militärische Gruppen in einer einheitlichen Struktur zu vereinen. Seit dem Sturz des früheren Regimes haben verschiedene Bündnisse und lokale Einheiten versucht, ihre Positionen in Darʿā zu halten. Die Auflösung der Achten Brigade – die russischen Rückhalt hatte – gilt daher als Signal für eine erneute Festigung der Zentralgewalt.

Beobachterinnen und Beobachter warnen jedoch vor einem möglichen Machtvakuum: Busra al-Scham galt bislang als eine der relativ sicheren Gegenden in der Region, teilweise dank der dortigen Koordination durch die Achte Brigade. Ob es nach dem Wegfall dieser Einheit zu einem Anstieg von Kriminalität und Gewaltdelikten kommt, bleibt abzuwarten. Gleichzeitig könnte die Einbindung der einstigen Kämpfer in die Reihen des Verteidigungsministeriums langfristig eine Stabilisierung unterstützen.

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Mehrere jüdisch-syrische Persönlichkeiten in den USA unterstützen neue Regierung

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Laut Muaz Mustafa, dem Direktor der Syrian Emergency Task Force, sei die Reise „eine politische Botschaft an Entscheidungsträger in Washington, dass die neue Regierung in Damaskus weder autoritär noch sektiererisch sei, sondern auf eine nationale Partnerschaft jenseits der Vergangenheit hinarbeite.“

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Femizid in Nordsyrien: Zwei junge Frauen in Manbidsch erschossen

Unter dem Vorwand eines sogenannten „Ehrenmords“ wurden zwei junge Frauen im ländlichen Osten Aleppos erschossen – von zwei männlichen Verwandten. Die Morde ereigneten sich nur wenige Tage, nachdem eine kriminelle Bande sie freigelassen hatte.

Die Verbrechen ereigneten sich in der Stadt Manbidsch. Die Täter veröffentlichten ein Video, in dem sie sich offen mit ihrer Tat brüsteten. Ersten Berichten zufolge wurden die Frauen von einer Gruppe entführt, die in den Drogenhandel verwickelt ist. Eine strafrechtliche Untersuchung gegen die Entführer blieb jedoch aus. Stattdessen richtete sich die öffentliche Schuldzuweisung gegen die Opfer.

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Trump plant Reise nach Saudi-Arabien

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