Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen haben die Republik zu Recht erschüttert und sind in meinen Augen ernsthaftes Warnsignal: Aufsteigender Rechtspopulismus und das Wiederaufleben von rassistischem Gedankengut bedrohen uns so sehr, wie schon lange nicht mehr.
In diesen besonders dunklen Zeiten sollte man mehr denn je auf den Zusammenhalt innerhalb einer Gemeinschaft setzen können, die besonders schwer vom Rechtsruck betroffen ist. Man sollte meinen, dass wenigstens jene, die es am härtesten treffen soll, miteinander und zueinander stehen, oder?
Vielleicht nicht ganz.
Es begann mit einem harmlosen TikTok-Trend, an dem ich aus Neugier und einem gewissen Spaßfaktor teilnahm. Es ging darum, Nationalitäten zu zeigen, mit denen man oft verwechselt wird und anschließend auf einer Skala von 0 bis 10 zu bewerten, wie sehr man der Ähnlichkeit zustimmen würde. Ich habe mich wirklich gefreut, mitzumachen, weil ich unglaublich oft in eine falsche Schublade gesteckt werde – so oft, dass ich diesen Missverständnissen schon einen eigenen Artikel innerhalb meiner Kolumne gewidmet habe. Doch was als lustige Idee begann, entwickelte sich schnell in eine völlig unerwartete Richtung.
Die Bewertungen, die ich abgab, schienen einigen Leuten überhaupt nicht zu gefallen. Zunächst dachte ich mir nicht viel dabei, als die ersten Kommentare aufkamen. Doch dann kamen die verletzenden Aussagen: „Du wünschst dir, dass du wie wir aussehen würdest“ oder „Hör auf zu lügen, du siehst wie eine Inderin aus“. Diese Kommentare waren nicht nur unter der Gürtellinie, sondern verpackten in sich auch eine tiefere, erschreckendere Wahrheit: Die vermeintliche „Kritik“ war in Wahrheit rassistisch aufgeladen. Denn „Du siehst aus wie eine Inderin“ war in diesem Zusammenhang ganz sicher nicht als Kompliment gemeint.
Es erschütterte mich, dass der Hass und die Abwertung, die ich dort erlebte, nicht von außen kamen, sondern aus den „eigenen Reihen“. Menschen, die selbst so oft Rassismus erfahren und wissen, wie schmerzhaft und zermürbend Diskriminierung sein kann, scheinen nichts aus ihrer eigenen Geschichte gelernt zu haben. Statt zusammenzustehen, wird dieser Hass weitergegeben – an andere Nationalitäten, die dann zur Projektionsfläche für Beleidigungen werden.
Ich musste das Video schließlich löschen. Nicht, weil ich der Kritik zustimmen wollte, sondern weil mir der Lärm, der um diese Diskussion entstand, einfach zu viel wurde. Was als kleines, harmloses Video gedacht war, hinterließ einen bitteren Nachgeschmack und eine Erkenntnis, die tief sitzt: Einige Menschen missbrauchen die Unterschiede zwischen Nationalitäten, um ihren eigenen, inneren Rassismus zu verbergen oder zu rechtfertigen.
Das macht mich nachdenklich. Wie sollen wir nach außen hin stark gegen Rassismus auftreten, wenn wir ihn in uns selbst noch nicht überwunden haben? Wie können wir Einheit und Solidarität predigen, wenn wir im Inneren noch gespalten sind? In einer Zeit, in der der Aufstieg des Rechtspopulismus und rassistischer Ideologien uns alle bedroht, sollten wir mehr denn je zusammenhalten. Doch wenn wir uns selbst in Kategorien einteilen und abwerten, ist der Weg zur Heilung noch weiter, als ich dachte.
Es ist an der Zeit, dass wir uns mit unseren eigenen Ideologien wirklich und ehrlich auseinandersetzen. Viel zu oft habe ich Menschen kennengelernt, die in Deutschland für linke Politik plädieren, nur um dann im Ausland den Verlockungen rechter Populisten und deren rassistischen Ideologien zu verfallen. Dieser innere Widerspruch ist nicht nur verwirrend, sondern auch gefährlich. Solange wir diesen Konflikt in uns tragen und nicht bereit sind, ihn zu überwinden, werden wir nach außen immer wieder Lücken zeigen – Lücken, in die Rassisten und Populisten eindringen können, um uns weiter zu spalten.
Das ist nicht nur falsch, sondern zutiefst beschämend. Es lässt jene, die eigentlich für Solidarität und Gleichheit einstehen sollten, schwach und widersprüchlich erscheinen. Wir dürfen diesen Menschen, die nur darauf warten, unsere Zerrissenheit auszunutzen, keine Angriffsfläche bieten.
Es bleibt zu hoffen, dass diejenigen, die in ihren Überzeugungen hin- und hergerissen sind, erkennen, wie gefährlich dieser innere Zwiespalt ist – und dass sie nicht unbewusst jenen in die Karten spielen, die unsere Gesellschaft weiter spalten wollen.
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