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Dana von Suffrin im Interview

Für die sechste Ausgabe des Newsletters „migrantisch gelesen“ hat Omid mit Autorin Dana von Sufffrin gesprochen. Im Interview erzählt sie von Familie, Humor und jüdischer Identität im deutschen Literaturbetrieb.

Dana von Suffrin im Interview
Fotograf*in: Tara Wolff/KiWi-Verlag

Vor einigen Wochen habe ich den für den diesjährigen Deutschen Buchpreis nominierten Roman „Nochmal von vorne“ der jüdisch-deutschen Autorin Dana von Suffrin vorgestellt. Anlässlich des ersten Jahrestags des Hamas-Angriffs auf Israel und des Beginns eines verheerenden Kriegs habe ich mit ihr über Antisemitismus in der deutschen Kulturszene sowie über ihre Arbeit und ihr Schreiben gesprochen. Von Suffrins Texte zeichnen sich durch einen bitteren Humor aus, der die Leser*innen dazu bringt, ihre Bücher kaum aus der Hand legen zu können. Auch über diesen speziellen Humor haben wir gesprochen.

In deinen beiden Romanen steckt viel Humor, aber auch Melancholie. Welche Rolle spielt der Humor für dich als literarisches Mittel, um schwierige Themen wie Migration, Verlust und Identität zu verarbeiten?

Ich habe nur eine einzige Erzählung geschrieben, die ziemlich humorlos ist. Ich halte es da wie Freud, der sagt, dass Humor „die siegreich behauptete Unverletzlichkeit des Ichs“ herstellt. Meine Protagonist*innen sind ja immer völlig beschädigt und angegriffen, so erhalten sie ein wenig Würde zurück, finde ich.

Wie erlebst du den deutschen Literaturbetrieb, insbesondere als Autorin mit jüdischer Identität? Gibt es Entwicklungen in den letzten Jahren, die du als positiv oder herausfordernd empfindest?

Ich schwanke zwischen Entsetzen und Begeisterung. Vor dem 7. Oktober habe ich mich immer beschwert, dass immer eine sehr typische, ja, stereotype Darstellung von Juden in der Kunst gewünscht wird: Juden als Opfer, als weise, kluge, einsichtige Menschen, gerne auch tot. Nervige, anstrengende, lustige Juden fand man nicht so gut. Das ist aber nur die inhaltliche Ebene, ich habe es öfter erlebt, dass man sich über meine Arbeit beschwert hat, zum Beispiel war der Held meines ersten Romans manchen Lesern zu unverschämt, zu uneinsichtig, zu negativ.

"Familie formt uns, sie verletzt uns, sie schafft uns, sie zerstört uns"

Nach dem 7. Oktober 2023 hat sich die Diskussion um jüdisches Leben und Antisemitismus in Deutschland stark verändert. Wie nimmst du die Rolle der deutschen Kulturszene in diesen Debatten wahr, und welche Verantwortung trägt die Literatur aus deiner Sicht?

Ich war schon ein bisschen entsetzt, als ich gesehen habe, dass diverse Kolleginnen und Kollegen, quasi als die israelischen Leichen noch warm waren, einem entsetzlichen Antisemitismus freien Lauf gelassen haben. Das hätte ich von Intellektuellen nicht erwartet. Ich finde schon, dass man von Literaten erwarten kann, dass sie eine komplexe Situation angemessen bewerten, statt sich als moralische Institution aufzuspielen und Propaganda zu verbreiten. Die Literatur sollte dieser Anforderung gerecht werden, aber die Leute, die sie schreiben, sind halt auch nur Menschen.

Beide deiner Romane beschäftigen sich mit komplexen Familiengeschichten und Neuanfängen. Was treibt dich an, immer wieder auf diese Themen zurückzukommen, und inwiefern spiegeln sie auch deine eigene Biografie wider?

Ich finde: Familie ist das interessanteste Thema der Welt, wo sonst haben wir einen so bekloppten, aber auch unentrinnbaren Mikrokosmos noch? Familie formt uns, sie verletzt uns, sie schafft uns, sie zerstört uns, in ihr passieren die lustigsten und die traurigsten Ereignisse – das ist natürlich für eine Autorin ein geniales Thema, finde ich. Ich schreibe nicht autofiktional, aber ich arbeite gerne mit dem Milieu, das ich gut kenne.

Könntest du uns zwei oder drei literarische oder non-fiction Werke nennen, die dein Schreiben und deinen Werdegang als Autorin geprägt haben?

Benny Barbasch, mein erster Sony; Natalia Ginzburg, Familienlexikon; Isaak Babel, Reiterarmee.

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