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3 Min. Lesezeit kohero News

Bundesverwaltungsgericht erlaubt Abschiebungen nach Griechenland

Bundesverwaltungsgericht erlaubt Abschiebungen nach Griechenland
Fotograf*in: Tingey Injury Law Firm auf Unsplash

Am 16. April 2025 traf das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig eine Entscheidung, die weitreichende Auswirkungen für Geflüchtete hat: Alleinstehende, gesunde und erwerbsfähige Geflüchtete können künftig nach Griechenland zurückgeführt werden, solange keine besondere Schutzbedürftigkeit vorliegt. Das Urteil gilt als Grundsatzentscheidung, womit alle Verwaltungsgerichte in Deutschland daran gebunden sind, selbst wenn sie die Lage in Griechenland zuvor anders bewertet haben.

Diese Entscheidung betrifft insbesondere jene, die über Griechenland nach Deutschland eingereist sind. In Zukunft werden alleinstehende, gesunde Männer keine Möglichkeit mehr haben, der Abschiebung nach Griechenland zu entgehen – selbst wenn sie gegen einen abgelehnten Asylantrag Widerspruch einlegen.

Zwei Geflüchtete klagten

Ein 34-jähriger Palästinenser und ein 32-jähriger Somalier, die 2017 und 2018 ihre Heimat verließen, kamen über die Türkei nach Griechenland. Dort erhielten sie als Geflüchtete eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Später kamen beide nach Deutschland und stellten erneut Asylanträge. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnte diese Anträge nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 Asylgesetz als unzulässig ab.

Die Anwält*innen der beiden Geflüchteten klagten dagegen vor dem Hessischen Verwaltungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht rief schließlich aufgrund der gegenläufigen Entscheidungen anderer Gerichte als Tatsachenrevisionsinstanz eine bundesweite rechtliche Klärung herbei. Die Kläger argumentierten, dass es für Geflüchtete fast unmöglich sei, in Griechenland eine legale Beschäftigung aufzunehmen, da dort erniedrigende und unmenschliche Lebensbedingungen für sie herrschen.

Bisher wurden keine in Deutschland anerkannten Geflüchteten nach Griechenland abgeschoben, da die Verwaltungsgerichte die Situation dort als zu kritisch einschätzten. 2024 kamen rund 25.000 anerkannte Flüchtlinge aus Griechenland nach Deutschland. Für viele ist Griechenland das erste EU-Land, das sie auf ihrer Flucht erreichen. Nach der Dublin-Verordnung ist Griechenland  damit für die Asylverfahren zuständig, auch wenn die Asylsuchenden nach Deutschland oder in andere europäische Staaten weiterziehen.

Allerdings waren Asylanträge, die in Griechenland abgelehnt wurden, in Deutschland bisher nicht mehr zulässig, es sei denn, die Lage in Griechenland war so schlecht, dass die Menschen dort nicht im Sinne der EU-Grundrechtecharta versorgt werden konnten. Verschiedene deutsche Verwaltungsgerichte, darunter das Oberverwaltungsgericht Lüneburg und Oberverwaltungsgerichte in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland, hatten diese Einschätzung geteilt. Seit Jahren werden deswegen nur wenige Abschiebungen durchgeführt.

Neue rechtliche Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die Einschätzung des Hessischen Verwaltungsgerichts nun bestätigt: Trotz der bestehenden Probleme im griechischen Aufnahmesystem gibt es keine „systemischen Mängel“, die die Geflüchteten ernsthaft gefährden würden. Zwar sei es wegen Bürokratie und langer Wartezeiten schwer, staatliche Unterstützung zu bekommen, dennoch könnten alleinstehende, gesunde und arbeitsfähige Personen ihre Grundbedürfnisse – wie Unterkunft, Essen und Hygiene – durch Notunterkünfte, Notschlafstellen oder Jobs in der Schattenwirtschaft decken.

Auch eine medizinische Notfallversorgung sei gewährleistet. Der Vorsitzende Richter Robert Keller erklärte, es sei nicht ernsthaft zu erwarten, dass junge, arbeitsfähige Männer in Griechenland in eine extreme Notlage geraten, in der sie nicht einmal mehr das Nötigste hätten. Maßstab sei, ob ihnen „Brot, Bett und Seife“ zur Verfügung stünden. Keller räumte ein: „Das ist nicht viel, das wissen wir auch. Das ist ein harter Maßstab."

Alleinstehende, gesunde Männer können daher vorerst nicht verhindern, nach Griechenland abgeschoben zu werden, selbst wenn sie Widerspruch einlegen. Dort drohen ihnen Obdachlosigkeit, Armut, Kriminalisierung und Gewalt.

Geflüchteteorganisationen wie Pro Asyl kritisieren, dass Migrant*innen in Griechenland vor einer elenden Situation stünden. Bürokratische Prozesse versperrten den Zugang zu Grundrechten. Die aktuelle Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nennt Pro Asyl „nicht nachvollziehbar". "Wir kommen zu einer anderen Bewertung der Lage", sagte Referent Andreas Meyerhöfer. "Wir wissen, dass die Leute zwangsläufig in der Verelendung landen." Wenn jetzt wieder mehr Menschen nach Griechenland abgeschoben würden, werde das die Lage noch verschärfen. Schon jetzt herrschen Obdachlosigkeit und systematische Unterversorgung der abgeschobenen Schutzberechtigten in Griechenland. Das staatliche Integrationsprogramm HELIOS+ hat nur begrenzte Kapazitäten und viele Betroffene erhalten keinerlei existenzsichernde Unterstützung.

Erfolgreiche Klagen nur bei nachweisbarer Vulnerabilität

Klagen gegen Überstellungen sind nur erfolgreich, wenn eine konkrete individuelle Vulnerabilität (z.B. schwere Erkrankungen) nachweisbar ist. Allgemeine Systemmängel Griechenlands reichen nicht mehr aus. Schutz in Deutschland gibt es nur, wenn eine akute, besondere Gefährdung in Griechenland nachgewiesen wird. Deshalb sollten alle Missstände sorgfältig dokumentiert werden – etwa mit Fotos, Zeugenaussagen oder anderen Belegen.

Nach der Ankunft sollte sofort rechtliche Beratung in Anspruch genommen werden, um individuelle Schutzgründe zu prüfen und gegebenenfalls eine besondere Schutzbedürftigkeit nachzuweisen.

Doch ob die Abschiebungen tatsächlich stattfinden, ist noch unklar. Der griechische Migrationsminister Makis Voridis sagte dem Athener Nachrichtensender Skai: „Solange es keine faire Verteilung der Verantwortung innerhalb der EU gibt, wird Griechenland keine Rückführungen annehmen.“ Anfragen aus Deutschland werde man zwar sorgfältig prüfen, ihnen aber „nicht besonders aufgeschlossen gegenüberstehen“, so Voridis.

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