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Besondere Schutzbedarfe im Asylverfahren – ein Überblick

Nicht alle Geflüchteten haben die gleichen Bedürfnisse: Manche Menschen benötigen aufgrund besonderer Lebensumstände zusätzlichen Schutz. Die EU-Aufnahmerichtlinie benennt klare Kriterien – doch in der Praxis gibt es Hürden.

Besondere Schutzbedarfe im Asylverfahren – ein Überblick
Fotograf*in: Foto von Ra Dragon auf Unsplash

Geflüchtete Menschen befinden sich in einer besonders vulnerablen Situation, die durch Krieg, Verfolgung oder andere schwerwiegende Krisen ausgelöst wurde. In vielen Fällen benötigen sie nicht nur Asyl, sondern auch speziellen Schutz aufgrund ihrer individuellen Lebensumstände. Bestimmte Gruppen von Geflüchteten gelten daher als besonders schutzbedürftig.

Die Europäische Union hat in ihrer Aufnahmerichtlinie 2013/33/ EU klar festgelegt, welche Gruppe von Geflüchteten besonderen Schutz erhalten müssen.

Wer braucht besonderen Schutz?

Unbegleitete minderjährige Geflüchtete: Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern oder Sorgeberechtigte nach Deutschland kommen, sind besonders schutzbedürftig. Sie werden vom Jugendamt in Obhut genommen, erhalten einen Vormund und durchlaufen ein sogenanntes „Clearing-Verfahren“, bei dem geklärt wird, wie alt sie sind, wie es um ihre Gesundheit steht und ob sie Verwandte in Deutschland haben.

Opfer von Menschenhandel: Betroffene Personen sind häufig schwer traumatisiert. Sie haben Anspruch auf eine sogenannte Stabilisierungsfrist – eine Zeit, in der sie sich erholen können, bevor über ihren Aufenthalt entschieden wird. Sie erhalten Zugang zu Beratungsstellen und ggf. eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen.

Schwangere und alleinreisende Mütter mit Kindern: Sie benötigen nicht nur medizinische Versorgung, sondern auch eine sichere Unterbringung, Schutz vor Gewalt und Unterstützung im Alltag.

Menschen mit Behinderungen oder schweren Krankheiten: Für diese Personengruppe ist der Zugang zu barrierefreien Unterkünften und spezialisierter medizinischer Versorgung besonders wichtig.

Folteropfer und traumatisierte Personen: Diese Personen benötigen nicht nur physische Hilfe, sondern vor allem psychologische Betreuung. Ein sicheres Umfeld und spezialisierte Therapieangebote sind entscheidend, damit sie ihre Traumata verarbeiten können.

Ältere Geflüchtete: Ältere Personen haben oft erhöhte Pflegebedarfe, die nicht immer in den allgemeinen Unterkünften abgedeckt werden.

Queere Geflüchtete: Personen, die auf Grund ihrer sexuellen und/oder geschlechtlichen Identität Asyl beantragen, haben ein Recht auf sichere Unterkünfte.

Wie werden besondere Schutzbedarfe ermittelt?

Wer besonderen Schutz braucht, soll möglichst frühzeitig erkannt werden – am besten schon bei der Ankunft. Dafür gibt es inzwischen Konzepte und Leitfäden, etwa vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) oder dem Projekt BeSAFE, das sich genau mit dieser Frage beschäftigt.

Wird Schutzbedarf festgestellt, sollten passende Maßnahmen folgen: etwa eine geschützte Unterkunft, spezielle medizinische Angebote oder rechtliche Unterstützung. Doch zwischen Theorie und Praxis liegt oft ein weiter Weg.

Wer ist zuständig?

Zuständig sind viele: Das Jugendamt, wenn es um Kinder geht. Das BAMF im Asylverfahren. Beratungsstellen, Sozialdienste, Initiativen wie die BAfF (Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer). Auch Organisationen wie UNHCR oder NEST – Neustart im Team leisten wichtige Beiträge bei der Integration besonders verletzlicher Personen. Und nicht zuletzt engagierte Helfer*innen in der Zivilgesellschaft.

Aber: Weil so viele Akteure*innen beteiligt sind, funktioniert die Zusammenarbeit nicht immer reibungslos. Wer was macht, ist nicht immer klar. Und manchmal bleibt daher niemand so richtig verantwortlich.

Was erschwert den Zugang zum Schutz?

Es sind nicht nur fehlende Ressourcen, die den Schutz erschweren. Es gibt auch eine Reihe von strukturellen Hürden. Bürokratische Verfahren sind komplex und unübersichtlich. Viele Betroffene wissen nicht, welche Rechte sie haben oder wissen nicht, wer für ihren Schutzbedarf zuständig ist. Sprachbarrieren verhindern, dass Menschen ihre Bedürfnisse äußern können. Professionelle Dolmetschdienste sind selten vorhanden, viele Informationen gibt es nur auf Deutsch. Diskriminierung und mangelnde Sensibilität im Umgang mit traumatisierten Personen verschärfen das Problem. Platzmangel in Unterkünften führt dazu, dass vulnerable Personen in ungeschützten Massenunterkünften leben – ohne Rückzugsraum, mit hohem Stresspotential.

Was muss sich ändern?

Beratungsstellen pochen immer wieder darauf, dass mehr dafür getan werden muss, um besondere Schutzbedürfnisse frühzeitig zu erkennen. In allen Erstaufnahmeeinrichtungen sollen gezielte Verfahren helfen, diese sofort zu identifizieren. Zudem braucht es mehr spezialisierte Unterkünfte, Beratungsstellen und psychologische Hilfe – und das flächendeckend und dauerhaft. Auch die Zusammenarbeit zwischen Behörden, sozialen Einrichtungen und medizinischen Stellen muss besser werden, damit echte Unterstützung angeboten werden kann. Es braucht mehr Geld, mehr Personal und mehr Schulungen.  Ein respektvoller und sensibler Umgang in jedem Abschnitt des Asylverfahrens ist notwendig.

Zusammengefasst: Trotz der vorhandenen rechtlichen Grundlagen und Unterstützungsmöglichkeiten bestehen noch zahlreiche Herausforderungen. Um den besonders schutzbedürftigen Personen gerecht zu werden, sind eine verbesserte Identifikation ihrer Bedürfnisse, der Ausbau von spezialisierten Angeboten und eine bessere Zusammenarbeit der Akteure notwendig. Nur so kann der Schutz dieser vulnerablen Gruppen effektiv und nachhaltig sichergestellt werden.


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