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3 Min. Lesezeit Persönliche Geschichten

Bahar Bektas: über migrantische Geschichten im Film

Bahar Bektas ist Filmemacherin. Ihr erster Film dokumentiert die Haft und Abschiebung ihres Bruders in die Türkei. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrung als Filmemacherin mit Migrationsgeschichte.

Bahar Bektas: über migrantische Geschichten im Film

Hallo Bahar, stell dich bitte kurz unseren Leser*innen vor.

Ich bin Bahar Bektas und arbeite als Filmemacherin in München. Ich bin alevitische Kurdin und bin 1989 als Kind mit meiner Familie nach Deutschland geflüchtet. 2023 habe ich mein Masterstudium Drehbuch / Dramaturgie an der Film-Uni Konrad Wolf in Babelsberg abgeschlossen. Im Januar 2024 hat mein Film „Exile Never Ends“ auf dem Max Ophüls Festival Premiere gefeiert. Es war mein Debüt als Regisseurin und auch mein erster Dokumentarfilm.

Wie ist der Film beim Publikum angekommen?

Das Publikum konnte sich mit unterschiedlichen Themen identifizieren. Manche waren oder sind mit der Gefängnis- oder Abschiebungsthematik konfrontiert, andere konnten mit den Erzählungen von gesellschaftlicher Ausgrenzung relaten, wieder andere fanden sich in den Familienkonstellationen wieder. Ich habe viele Menschen kennengelernt, die mit ihren persönlichen Geschichten zu mir gekommen sind, das ist sehr schön, wenn der Film dazu beitragen kann, dass sich Menschen neben den gesellschaftspolitischen Aspekten auch mit ihren persönlichen Geschichten auseinandersetzen.

Du filmst in dem Film deine Familienmitglieder in sehr intimen und privaten Momenten. Waren alle von Anfang an damit einverstanden?

Überraschenderweise war es gar nicht schwer, alle davon zu überzeugen. Besonders meine Eltern, aber auch meine Brüder haben den Wunsch gehabt, unsere Geschichte zu erzählen. Es war zu groß, um es kleinzuhalten.

Der Kern der Dokumentation ist die Entscheidung deines Bruders Taner, in die Türkei abgeschoben zu werden, statt im deutschen Gefängnis zu bleiben. Wie war das Gespräch mit deinem Bruder, dass du diesen Weg dokumentarisch festhalten möchtest?

Mein Bruder fand die Idee von Anfang an gut. Eine Hürde war zunächst, dass wir im Gefängnis nicht drehen durften. Auf der anderen Seite ist es uns dann aber gelungen auch filmisch gut darzustellen, dass er immer irgendwie da ist und auch viel Einfluss auf das Familienleben hat, obwohl er in gewisser Weise nie wirklich anwesend ist. Im Film sieht man ihn zweimal ganz kurz bei Skype-Gesprächen.

Wichtige Themen, die sich durch „Exile Never Ends“ ziehen, sind natürlich das Leben im Exil, Identität, Heimat und Zugehörigkeit. Du erzählst auch von rassistischen Angriffen auf deine Familie. Verstehst du deinen Film auch als Beitrag auf das aktuelle gesellschaftliche Klima in Deutschland?

Wir verfolgen mit dem Film keine bestimmte politische Agenda, aber natürlich behandelt er gesellschaftliche Themen, die in den Debatten wieder verstärkt aufgegriffen werden. Rassistische Diskriminierungserfahrungen, Anpassungsdruck, gesellschaftlicher Leistungsdruck und die Suche nach Anerkennung haben schließlich schon eine Rolle auf dem Weg gespielt, der nun in der Abschiebung meines Bruders gipfeln wird. Leider hat man nicht so viel aus den politischen Fehlern der Vergangenheit gelernt. Mir ist es schon ein Anliegen, über solche Themen mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Der Film kann ein solches Gesprächsangebot sein. Ich hoffe also schon, dass er ein Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte sein kann.

Auch jenseits vom Film machst du auf das Thema Rassismus aufmerksam, wie etwa auf Instagram, wo du auf die schlechte ärztliche Behandlung von Taner aufmerksam machst. Was muss sich deiner Meinung nach ändern, damit die Belange von ausländischen, nicht-weißen, migrantischen Menschen in Deutschland wahrgenommen werden?

Puh, was sich ändern müsste, ist eine große Frage. Wahrscheinlich wird es Rassismus geben, solange wir als Menschen durch die ökonomischen und gesellschaftlichen Anforderungen in einer Konkurrenzsituation zueinander stehen. Sehen wir davon mal ab, hoffe ich, dass wir es schaffen, dass migrantische Themen sichtbarer werden. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass wir in die Lage kommen, unsere Geschichten selbst zu erzählen. Es gibt viele tolle Filmemacher*innen und Künstler*innen mit Migrationsgeschichte, die oft aber noch sehr auf sich gestellt versuchen zu bestehen.

Ich habe das Gefühl, dass es nur begrenzt „Plätze“ für uns gibt, um die wir uns streiten müssen. Dabei gewinnt die Person, die sich und ihre Geschichten am besten verkauft. Ich hoffe, dass wir es noch mehr, als bereits stattfindet, schaffen, zusammenzuhalten und uns zu unterstützen, dass wir als marginalisierte Gruppe sichtbarer werden. Durch mehr positive Sichtbarkeit wächst das Verständnis für unsere Belange.

Könntest du zum Abschluss noch etwas über deine filmischen Inspirationen erzählen? Deine Lieblingsregisseur*innen oder Lieblingsfilme?

Ich bin schon seit meiner Kindheit geprägt worden durch Yilmaz Güney und seine Filme. Auch Zeki Demirkubuz mag ich sehr. Sehr stark beeinflusst hat mich auch der Film „Körper und Seele“ von Ildiko Enyedi. Ich kann aber auch gar nicht nur eine Person nennen, die mich besonders inspiriert hat. Mich hat die Ungerechtigkeit im Leben „inspiriert“. Beziehungsweise dazu gedrängt, Filme zu machen. Ich hätte aber auch sehr gut Schauspielerin, Malerin oder Musikerin sein können. Aber Filmemachen, dachte ich, ist viel leichter zu erreichen.

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