Die israelische Armee gab den Befehl der Evakuierung der nördlichen Seite des Gazastreifens. Während sich viele Zivilistinnen auf den Weg Richtung Süden aufmachten, wurden sie trotzdem auf ihrer Flucht von der israelischen Armee attackiert. Zuvor wurde die Route entlang der Salih Al-Deen als sicher freigegeben. Gleichzeitig kommt es dazu, dass die Trinkwasserversorgung mangelhaft ist und aufgrund der fehlenden humanitären Hilfe die Krankenhäuser vor dem Kollaps stehen. Palästinenserinnen liegen verletzt in ihren Häusern, ohne dass Rettungswagen sie erreichen können. Krankenhäuser sind überfüllt. Es gibt keine Luftschutzbunker, die Menschen vor Ort haben keine andere Unterkunft.
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sprechen hier ganz deutlich davon, dass die kollektive Bestrafung der Zivilbevölkerung einem Kriegsverbrechen gleichkommt. Ungefähr die Hälfte der Bevölkerung, der etwa zwei Millionen Menschen, die dort leben, sind Kinder. Sie dürfen nicht mit dem Terror der Hamas gleichgesetzt werden. Es wurden bisher über 2.000 Kinder durch die israelischen Angriffe getötet und trotzdem stimmte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock gegen eine Waffenruhe und pocht auf das Recht der Selbstverteidigung.
Ist es richtig, dass wir unschuldige Zivilist*innen, Frauen und Kinder ohne Hilfe zurücklassen? Ist es richtig, sie als Kollateralschaden hinzunehmen und das teilweise als Sieg zu feiern?
Appell an die Menschlichkeit
Auch Kriege haben Regeln. Was nun passiert, verstößt gegen internationales Recht. Wenn wir das unterstützen, sind wir maßgeblich an dem nächsten Genozid beteiligt. Die aktuelle Situation darf nicht zur Entmenschlichung der Menschen in Gaza führen. Man muss nicht Pro-Hamas sein, um den Menschen vor Ort zu helfen. Viele trauen sich nicht, diese Meinung öffentlich auszusprechen. Das ist jedoch keine kontroverse Meinung, sondern einfach ein Appell an die Menschlichkeit.
Es ist irrtümlich zu glauben, dass die einseitige Positionierung und die uneingeschränkte Solidarität mit Israel mancher deutschen Politiker*innen zum Frieden in der Region beitragen wird. Die deutsche Position sollte sein, dass alle Menschen es verdient haben, nicht unter Terror, Krieg und Besatzung zu leben, ob jüdisch oder eben auch palästinensisch. Man kann sich nicht über die eine Form der Gewalt empören und eine andere Form der Gewalt verharmlosen. Es ist die deutsche Verantwortung, gerade jetzt die Grundprinzipien der Menschenrechte und des Völkerrechts hochzuhalten.
Die einseitige Position und das Ausblenden des Leids der Palästinenserinnen führt eben auch zu Unruhen in der deutschen Gesellschaft. Jüdische Einrichtungen müssen stärker abgeschottet werden und Musliminnen werden unter Generalverdacht gestellt. Gerade jetzt brauchen wir eine Politik, die Gewaltlosigkeit als Strategie ansetzt. Deutschland sollte an der Seite derer stehen, die eine friedvolle Lösung herbeisehnen. Und das sind weder die israelischen Hardliner noch die Hamas.
Für die Berichterstattung zum Krieg in Israel und Palästina haben wir uns entschieden, mehrere Perspektiven in einen Kontext einzuordnen. Aufgrund der komplexen Vorgeschichte und den schnellen Entwicklungen werden wir in den nächsten Wochen also verschiedene Beiträge zu diesem Thema veröffentlichen. Durch die Veröffentlichung verschiedener Perspektiven und Beobachtungen wollen wir mehr Klarheit schaffen und zeigen, welche Zusammenhänge und Sichtweisen es gibt.
Weitere Beiträge zu diesem Thema findest du hier.