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Alte Idee, neue Verpackung – warum die Bezahlkarte in der Vergangenheit scheiterte

Chipkarten, Gutscheine, Prepaid-Modelle: Schon in den 1990ern testeten Behörden Alternativen zur Barauszahlung von Leistungen an Geflüchtete. Die neue Bezahlkarte knüpft an alte Ideen an – und steht vor ähnlichen Problemen wie damals.

Alte Idee, neue Verpackung – warum die Bezahlkarte in der Vergangenheit scheiterte
Fotograf*in: Eduardo Soares

Die Idee, Geflüchteten das Geld nicht bar auszuzahlen, sondern über eine Bezahlkarte zur Verfügung zu stellen, ist nicht neu. Bereits in den 1990er Jahren wurde mit alternativen Leistungsformen experimentiert – mal als Gutschein, mal als Chipkarte. Die Ziele waren stets ähnlich: den Verwaltungsaufwand senken, den Konsum kontrollieren und verhindern, dass Geld ins Ausland geschickt oder für unerwünschte Zwecke wie Alkohol ausgegeben wird. Doch keiner der Ansätze setzte sich dauerhaft durch. Technische Pannen, rechtliche Hürden und Kritik von Geflüchteten selbst sorgten immer wieder für das Aus. Die heutige Bezahlkarte folgt auf eine Serie ähnlicher Versuche – 2025 trägt sie lediglich ein frisch aufgeklebtes Etikett. Aber welche Vorgänger gab es, und warum schlugen sie fehl?

Nach der Soziologin Alexandra Keiner, die am Weizenbaum-Institut zu Finanz- und Zahlungsinfrastrukturen und Migration forscht, lassen sich drei Vorläufer unterscheiden: die „Smart-Card“ 1997, Sodexo-Wertgutscheine Ende der 1990er Jahre und die „Refugee Card“ von Sodexo und Wirecard 2015.

Eingeschränktes Einkaufen: Die „Smart-Card“

Den Anfang machte Berlin im Jahr 1997 mit der „Smart-Card“. Asylsuchende bekamen damals nur noch ein kleines Taschengeld in bar, der Großteil der Sozialhilfe – rund 380 Mark – wurde auf eine Scheckkarte geladen. Eingelöst werden konnte das Guthaben ausschließlich in bestimmten Lebensmittelläden und Kleiderkammern. Ein Jahr später wurde das System durch eine Chipkarte der Firma Infra-Card ersetzt, mit der man immerhin bei Supermärkten wie Edeka einkaufen konnte – Discounter wie Aldi oder Lidl blieben jedoch ausgeschlossen. Alkohol und Zigaretten waren vom Einkauf ebenfalls ausgenommen, das wurde an der Kasse kontrolliert.

Die damalige Sozialsenatorin Beate Hübner erklärte, Ziel sei gewesen, Menschen abzuschrecken, die aus rein wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kämen – das berichtete unter anderem die Berliner Zeitung. Nach dem Regierungswechsel 2002 wurde der Vertrag mit Infra-Card gekündigt. Ein bundesweiter Einsatz als Multifunktionskarte – etwa auch als Ausweis oder Schlüssel – scheiterte an Datenschutzbedenken und mangelnder Akzeptanz in den Bundesländern.

Gutscheine statt Bargeld: Wertgutscheine von Sodexo

Ende der 90er setzten mehrere Landkreise auf Wertgutscheine, ausgestellt vom französischen Konzern Sodexo. Die Gutscheine waren meist einen Monat gültig, mussten fast komplett bei einem Einkauf eingelöst werden und galten nur bei bestimmten Vertragspartnern. Eingekauft werden durften Lebensmittel, Hygieneartikel, Kleidung und Haushaltswaren – Tabak und Alkohol waren wie zuvor ausgeschlossen. Wer die Gutscheine nutzen wollte, musste sie zwei Mal im Monat persönlich bei der Behörde abholen.

Der Aufwand war hoch, das Einlösen oft kompliziert – gerade für Menschen, die neu im Land waren und die teilnehmenden Geschäfte nicht kannten. Viele Kommunen schafften das System wieder ab. Manche, wie der Saalekreis in Sachsen-Anhalt, hielten länger daran fest – bis auch dort die Stimmen lauter wurden, die von Ausgrenzung und Diskriminierung berichteten. 2018 schaffte auch der Saalekreis die Gutscheine ab.

Nur lokal einsetzbar: Refugee Card

Einen neuen Anlauf nahm der Landkreis Altötting im Jahr 2015 mit der sogenannten Refugee Card. Auch hier war Sodexo an Bord, diesmal gemeinsam mit dem damals noch aktiven Zahlungsdienstleister Wirecard. Die Karte wurde monatlich mit bis zu 145 Euro aufgeladen und konnte in rund 18 Läden sowie bei ausgewählten Dienstleistern wie Friseuren oder Taxiunternehmen eingesetzt werden. Ziel war erneut, Verwaltungsprozesse zu vereinfachen und Geldtransfers ins Ausland zu verhindern.

Der damalige Landrat Erwin Schneider lobte die Karte als sozialpolitisch sinnvoll, unter anderem weil sie den Verwendungszweck der Leistungen besser kontrollierbar mache. Kritik blieb zunächst aus, vielleicht auch, weil die Karte nur in zentralen Unterkünften zum Einsatz kam. Doch selbst Schneider räumte ein: Eine bundesweite Einführung sei technisch kaum umsetzbar.

Auch der Landkreis Erding testete ein eigenes System: den Kommunalpass. Diese Prepaid-Karte wurde ab 2016 genutzt, um das monatliche Taschengeld – etwa 350 Euro – bargeldlos auszuzahlen. Gedacht war sie vor allem als Antwort auf lange Warteschlangen bei der Bargeldausgabe. Doch schon bald zeigte sich: Der Pass war in vielen Alltagsgeschäften nicht einsetzbar – kleine Läden, Bäcker oder Kioske hatten damals oft keine passenden Lesegeräte.

Viel Kritik, keine Lösungen

Kritiker*innen nannten das Modell “integrationsfeindlich”, der Bayerische Flüchtlingsrat sprach von “sozialer Ausgrenzung”. Nach vier Jahren wurde das Projekt eingestellt, auch weil Wirecard – erneut als technischer Partner beteiligt – inzwischen insolvent war.

Was bleibt, ist eine lange Liste gescheiterter Versuche. Ob Chipkarte, Gutschein oder digitaler Pass – die Probleme waren oft dieselben: technische Schwierigkeiten, fehlende Akzeptanz, hoher Verwaltungsaufwand, geringe Alltagstauglichkeit und die Stigmatisierung der Betroffenen. Was lokal funktionierte, ließ sich nicht ohne Weiteres auf Bundesebene übertragen.

Viele der Systeme verschwanden leise, andere nach politischem Druck. Eine tragfähige Lösung müsste nicht nur technisch ausgereift und rechtlich abgesichert sein – sie müsste vor allem die Menschen einbeziehen, um die es geht. Die Frage ist also nicht nur, was die neue Bezahlkarte kann. Sondern: Hat man diesmal wirklich etwas aus der Vergangenheit gelernt?

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