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Afghanistan Update für Oktober und November

Während sich Afghanistan unter der Herrschaft der Taliban weiterhin in einer schwierigen Situation befindet, stehen wichtige Fragen zu verletzten Menschenrechten, wirtschaftlicher Stabilität und internationalen Beziehungen weiterhin im Vordergrund.

Afghanistan Update für Oktober und November
Fotograf*in: Lara Jameson auf pexels.com

Ich bin Sahar, komme aus Afghanistan und habe in Indien und Hamburg Politik- und europäische Rechtswissenschaft studiert. Schon lange setze ich mich für Menschenrechte ein und bin darüber hinaus seit 2017 bei kohero aktiv.

Ab sofort schreibe ich das afghanistan update nicht nur als Kolumne, sondern als Newsletter. Damit bekommst du einen Überblick über das aktuelle Geschehen in Afghanistan. Welches Thema beschäftigt dich in Bezug auf die aktuelle Lage in Afghanistan am meisten? Schreib mir gerne hier. Auch über Feedback, Anregungen und Ideen freue ich mich.


Religiöse Schulen

Ein wichtiger Punkt, der meine Aufmerksamkeit erregt hat, ist die wachsende Zahl religiöser Schulen im Lande. Sie führen langfristig zu Stress und Unsicherheit in Asien und können auch eine Bedrohung für die Welt darstellen, da es in neun von 34 Provinzen Afghanistans zu einem erheblichen Anstieg religiöser Seminare, sogenannter Madrasas, gekommen ist. Ziel ist es, die religiöse Bildung auszuweiten und auch extremistische Überzeugungen im Lande zu verbreiten. Quellen haben enthüllt, dass die Taliban religiöse Schulen betreiben, in denen Mädchen nicht nur traditionelle islamische Studien besuchen, sondern auch lernen, wie sie Mudschahid-Kinder (heilige Krieger) aufziehen und ihren Ehemännern dienen können.

Medienbeschränkungen und Menschenrechte

Dieses Problem setzt sich mit der Verhaftung von Journalisten fort. Sender stellen ihren Betrieb ein, da die Taliban die Ausstrahlung von Filmmaterial mit lebenden Personen untersagt haben, wie das Afghanistan Journalists Center berichtet. Der afghanische Rundfunk und mehrere private Fernsehsender wurden angewiesen, das von der Taliban-Abteilung für die Förderung der Tugend und die Verhinderung von Lastern erlassene Verbot zu befolgen.

In den vergangenen zwei Monaten haben die Taliban mindestens 96 Personen, darunter 13 Frauen, wegen verschiedener Vergehen öffentlich ausgepeitscht. Zwischen dem 16. September und dem 15. Oktober wurden 47 Personen, darunter 40 Männer und sieben Frauen, in zwölf Provinzen, darunter Herat, Kandahar, Faryab, Laghman, Takhar und Khost, öffentlich ausgepeitscht, so die Daten. Weitere 49 Personen, darunter sechs Frauen, wurden zwischen dem 17. August und dem 15. September in Provinzen wie Kabul, Balkh, Zabul, Helmand und Paktika ausgepeitscht. Die Vorwürfe reichten von Diebstahl, Ehebruch und Sodomie bis hin zu Weglaufen von zu Hause, Drogenhandel und unmoralischem Verhalten. Die Anzahl der Peitschenhiebe schwankte zwischen 19 und 39 pro Person, wobei einige Personen auch zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden.

Außenbeziehungen und internationale Unterstützung

Im Bereich der Außenbeziehungen nahm der Außenminister der Taliban, Amir Khan Muttaqi, an einem von Moskau ausgerichteten regionalen Treffen, dem „Moskauer Format“, teil, das die regionale Zusammenarbeit in Fragen wie Terrorismusbekämpfung und wirtschaftliche Stabilität verbessern sollte. Während die Vereinigten Staaten nicht teilnahmen, beteiligten sich mehrere Nachbarländer, darunter Russland, China und Pakistan, an den Gesprächen. Diese Treffen sind Teil der Bemühungen der Taliban, regionale Unterstützung zu gewinnen, obwohl ihre Regierung aufgrund ihrer restriktiven Menschenrechtspolitik international nicht anerkannt wird.

Auf US-amerikanischer Seite wurden Veränderungen in der diplomatischen Führung in Bezug auf Afghanistan bekannt gegeben: Tom West, der ehemalige Sondergesandte für Afghanistan, wurde abgesetzt. Karen Decker leitet nun die amerikanisch-afghanische Diplomatie von Doha aus. Diese Umstrukturierung spiegelt das fortgesetzte, wenn auch vorsichtige, Engagement der Biden-Administration in Afghanistan wider, das sich auf die Menschenrechte konzentrieren soll. Hier sind insbesondere die Rechte von Frauen und Mädchen gemeint, und das in Anbetracht der zunehmenden Besorgnis über die von den Taliban verhängten Beschränkungen von Bildung, Beschäftigung und Freiheit für Frauen.

Diese Ereignisse unterstreichen die Bemühungen der Taliban, ihre innenpolitische Kontrolle zu stärken, während sie gleichzeitig versuchen, regionale Allianzen aufzubauen, obwohl ihre strenge Sozialpolitik ein Hindernis für eine breitere internationale Akzeptanz bleibt.

Humanitäre Lage

Die humanitären Maßnahmen in Afghanistan stehen vor großen Herausforderungen. 83 Projekte wurden im September vorübergehend ausgesetzt, da es zu einer Häufung von Zwischenfällen kam, die in erster Linie von den Taliban verursacht wurden, berichtet das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten. Der Zusammenbruch von zwei Einrichtungen und die Verlegung eines Projekts haben erhebliche Auswirkungen auf die Bereitstellung von Hilfe in einem Land, in dem Millionen Menschen auf humanitäre Unterstützung angewiesen sind.

Anfang November 2024 ist Afghanistan mit zahlreichen humanitären und diplomatischen Problemen konfrontiert. Eine besondere Herausforderung stellt die strikte Durchsetzung der pakistanischen Ausweisungsbefehle dar, die zur erzwungenen Rückkehr Tausender afghanischer Geflüchteten geführt hat. Viele dieser Personen, die sich ohne Papiere in Pakistan aufgehalten haben, müssen nun unter schwierigen Umständen nach Afghanistan zurückkehren, da die humanitäre Lage weiterhin kritisch ist. Diese Abschiebungen haben international Besorgnis über die Sicherheit und das Wohlergehen der Geflüchteten im von den Taliban kontrollierten Afghanistan ausgelöst, wo die Grundversorgung und die Infrastruktur nach wie vor stark eingeschränkt sind.

Im Inland hat das Informations- und Kulturministerium der Taliban einen „Fonds zur Unterstützung von Journalisten“ eingerichtet und damit seine Absicht bekundet, die Unterstützung der Medien zu fördern. Internationale Beobachtende stehen diesen Bemühungen jedoch weiterhin skeptisch gegenüber, da die Medien und die Meinungsfreiheit unter der Taliban-Herrschaft nach wie vor stark eingeschränkt sind. Das Ministerium betonte auch die Unterstützung der Medienfreiheit, obwohl das Presseumfeld in Afghanistan nach wie vor streng kontrolliert wird und es nur begrenzt möglich ist, zu berichten und zu veröffentlichen.

Im Bereich Gesundheit wurde in mehreren Provinzen eine Polio-Impfkampagne gestartet, die jedoch nicht direkt auf die Bevölkerung zugeht, sondern über Moscheen durchgeführt wird. Diese Methode kann die Zugänglichkeit beeinträchtigen, insbesondere in abgelegenen Gebieten. Die Kampagne spiegelt jedoch die laufenden Bemühungen wider, die Herausforderungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit in Afghanistan trotz knapper Ressourcen zu bewältigen.

Diese Entwicklungen verdeutlichen die anhaltenden Kämpfe innerhalb der Grenzen Afghanistans und seine komplexen Beziehungen zu Nachbarländern wie Pakistan, wo die regionale Dynamik eng mit humanitären und sicherheitspolitischen Belangen verbunden ist.

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