Steffen Hebestreit, Regierungssprecher, teilte zu den Abschiebungen mit: “Es handelte sich hierbei um afghanische Staatsangehörige, die sämtlich verurteilte Straftäter waren, die kein Bleiberecht in Deutschland hatten und gegen die Ausweisungsverfügungen vorlagen." Befürworterinnen und Gegnerinnen dieser Abschiebungen äußerten sich in Stellungnahmen zu dieser Maßnahme.
Befürworter*innen der Abschiebung
Die Befürworterinnen der Abschiebung betonen, dass kriminelle Geflüchtete nicht in Deutschland bleiben sollten, und stützen ihre Ansicht auf die deutschen Gesetze. Abschiebungen werden als notwendiger Teil eines funktionierenden Asylsystems gesehen, um zwischen Schutzbedürftigen und nicht Schutzbedürftigen zu unterscheiden. Es wird betont, dass abgelehnte Asylbewerberinnen rechtlich verpflichtet sind, das Land zu verlassen.
Laut einer aktuellen Umfrage in der deutschen Bevölkerung befürworten 93 % der Befragten Abschiebungen in gewissem Umfang, wobei 52 % für die Rückführung aller abgelehnten Asylbewerber*innen sind. Die Befürworter beziehen sich dabei auf die folgenden Gesetze:
- Aufenthaltsgesetz (AufenthG): Dieses Gesetz bildet die rechtliche Grundlage für den Aufenthalt von nicht-deutschen Staatsangehörigen in Deutschland. Gemäß §§ 53 Abs. 1, 54 AufenthG kann ein Ausländer abgeschoben werden, wenn er wegen einer Straftat rechtskräftig verurteilt wurde und eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr erhalten hat. Die Befürworter der Abschiebung verweisen dabei auf die speziellen Befugnisse von Richtern und Einwanderungsbehörden gemäß den §§ 53 und 54 AufentG. Sie argumentieren, dass das deutsche Recht den Richtern und Einwanderungsbehörden bei der Entscheidung über Abschiebungen, insbesondere in Fällen schwerer Straftaten, erhebliche Ermessensspielräume einräumt. Die Behörden können auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung die Abschiebung eines Ausländers anordnen, wenn sie der Meinung sind, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet ist. Dies gilt u.a. für Personen, die wegen Straftaten wie z.B. Vergewaltigung verurteilt wurden, bei denen ihre weitere Anwesenheit in Deutschland als Bedrohung für die Gesellschaft angesehen werden könnte. Es kann aber auch eine zwingende Ausweisung erfolgen: In schwereren Fällen kann die Abschiebung obligatorisch sein, insbesondere, wenn die Person eine Straftat begangen hat, die die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet, oder wiederholt an kriminellen Aktivitäten beteiligt war.
- Asylgesetz (AsylG): Dieses Gesetz spielt ebenfalls eine Rolle bei Abschiebungen, insbesondere im Umgang mit "Flüchtlingen" und Asylbewerber*innen. § 60 AsylG beschreibt das Abschiebungsverbot in ein Land, in dem die Person Verfolgung oder unmenschliche Behandlung zu befürchten hat. Allerdings enthält § 60 AsylG auch Ausnahmen von dieser Regel, die auf internationalen Verpflichtungen (einschließlich der Europäischen Menschenrechtskonvention, EMRK) beruhen, die Deutschland vor einer Abschiebung berücksichtigen muss. Dieser Abschnitt ermöglicht Abschiebungen auch dann, wenn ein allgemeines Verbot besteht, sofern die Anwesenheit der Person in Deutschland als erhebliche Bedrohung für die öffentliche Sicherheit angesehen wird.
- Strafgesetzbuch (StGB): Obwohl das StGB sich nicht direkt mit Abschiebungen befasst, führen rechtskräftige Verurteilungen nach diesem Gesetz oft auch zu Abschiebungsverfahren nach dem Aufenthaltsgesetz. Schwere Straftaten, einschließlich Vergewaltigung, können zu rechtlichen Verfahren führen, die möglicherweise mit einer von den Einwanderungsbehörden oder Gerichten angeordneten Abschiebung enden.
Gegner*innen der Abschiebung
Die Gegnerinnen der Abschiebung, darunter Organisationen wie ProAsyl und Amnesty International, zusammen mit anderen Menschenrechtsgruppen und Rechtsexpertinnen, haben erhebliche rechtliche und ethische Bedenken hinsichtlich der Abschiebung afghanischer Geflüchtete aus Deutschland geäußert, insbesondere unter den aktuellen Bedingungen in Afghanistan. Ihre Argumentation konzentriert sich auf mehrere zentrale rechtliche Punkte:
- Verstoß gegen das Non-Refoulement-Prinzip
- Völkerrecht und Non-Refoulement: Ein zentrales rechtliches Argument gegen die Abschiebungen ist, dass diese das Non-Refoulement-Prinzip verletzen, das sowohl im Völkerrecht als auch im europäischen Recht verankert ist. Artikel 33 der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verbieten die Rückführung von Personen in ein Land, in dem ihnen eine reale Gefahr von Verfolgung, Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung droht. Diese Organisationen argumentieren, dass die Abschiebung von Personen nach Afghanistan, angesichts der anhaltenden Gewalt, Instabilität und Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Folter, willkürlicher Inhaftierungen und außergerichtlicher Tötungen direkt gegen dieses Prinzip verstößt.
- Grundgesetz: Artikel 1 des Grundgesetzes schützt die Menschenwürde, und Artikel 16a garantiert das Recht auf Asyl für diejenigen, die aus politischen Gründen verfolgt werden. ProAsyl und Amnesty International argumentieren, dass die Abschiebung von Personen nach Afghanistan, wo sie wahrscheinlich ernsthaften Bedrohungen für ihr Leben und Wohlergehen ausgesetzt sind, mit diesen verfassungsrechtlichen Schutzbestimmungen unvereinbar ist. Sie behaupten, dass solche Abschiebungen die Verpflichtung der deutschen Regierung, die Menschenwürde zu schützen und Asylsuchenden Schutz zu bieten, untergräbt.
- Verletzung der Menschenrechte in Afghanistan: Viele internationale Beobachter*innen, darunter die Vereinten Nationen und andere Menschenrechtsorganisationen, betrachten Afghanistan aufgrund anhaltender bewaffneter Konflikte, weit verbreiteter Gewalt und schwerer Menschenrechtsverletzungen als äußerst unsicher. ProAsyl und Amnesty International argumentieren, dass die Abschiebung von Personen in ein solches Umfeld nicht nur unverantwortlich, sondern nach deutschem und internationalem Recht illegal ist. Sie heben die Risiken von Verfolgung, gezielten Tötungen und dem mangelnden Zugang zu menschlichen Grundbedürfnissen wie Nahrung, Unterkunft und medizinischer Versorgung für abgeschobene Personen hervor.
- Besondere Verwundbarkeiten: Diese Organisationen betonen auch das erhöhte Risiko für bestimmte Gruppen, wie Frauen, Kinder und ethnische oder religiöse Minderheiten, die unter dem Taliban-Regime besonders gefährdet sind. Sie argumentieren, dass die Abschiebung dieser Personen sie erheblichem Schaden aussetzt und möglicherweise zu einer Verletzung ihrer grundlegenden Rechte führt.
- Unzureichende individuelle Risikobewertung: Kritiker*innen der Abschiebungen argumentieren, dass im Abschiebungsverfahren oft die individuellen Umstände der Betroffenen, wie persönliche Verfolgungserfahrungen, familiäre Beziehungen in Deutschland oder spezifische gesundheitliche Bedingungen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Dies könnte zu einer Verletzung ihrer Rechte nach dem Grundgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention führen. Das Fehlen einer gründlichen und individuellen Risikobewertung wird als ein wesentlicher rechtlicher Mangel in den Abschiebeentscheidungen angesehen. Menschenrechtsorganisationen haben auch Bedenken geäußert, dass die gerichtliche Überprüfung von individuellen Abschiebeentscheidungen möglicherweise nicht ausreichend gründlich ist, um die Einhaltung der rechtlichen Standards zu gewährleisten. Sie argumentieren auch, dass Richter*innen und Einwanderungsbehörden keinen vollständigen Zugang zu den Entwicklungen in Afghanistan haben und dass dies durch das Fehlen offizieller Verbindungen der deutschen Regierung zur Taliban-Regierung, die in diesem Land an der Macht ist, verschärft wird. Dies könnte dazu führen, dass Entscheidungen getroffen werden, die nicht mit den rechtlichen Verpflichtungen Deutschlands übereinstimmen.
Über die rechtlichen Argumente hinaus führen diese Organisationen aber auch ethische Überlegungen an und argumentieren, dass Deutschland als demokratisches Land, das sich den Menschenrechten verpflichtet fühlt, eine moralische Verpflichtung hat, Menschen zu schützen, die vor Verfolgung und Gewalt fliehen. Sie betonen, dass die Abschiebung von Personen in ein vom Krieg zerrüttetes Land wie Afghanistan im Widerspruch zu den Werten steht, die dem deutschen Rechtssystem und den internationalen Menschenrechtsnormen zugrunde liegen. Es sei darauf hingewiesen, dass die Taliban in den jüngsten Entwicklungen in Richtung religiöser Radikalisierung letzte Woche ein Gesetz angekündigt haben, in dem die Stimme der Frauen als „Awrat“ anerkannt wird (das heißt, eine Frau darf mit niemandem außer ihren Familienmitgliedern sprechen). In einem anderen Absatz heißt es außerdem, dass das Haus einer Person in Brand gesteckt wird, wenn sie nicht in der Moschee betet.
Im Ergebnis müsste noch das Bundesverwaltungsgericht feststellen, ob die Abschiebungen in Länder wie Afghanistan oder Syrien überhaupt rechtlich möglich sind. Bei den Abschiebungen nach Afghanistan sind sich die Oberverwaltungsgerichte derzeit noch uneins.