In Hamburg wurde jetzt ein afghanischer Geflüchteter aus einer Katholischen Kirche in Hamburg Bergedorf aus dem Schutz der Kirche abgeschoben. 2015 war der junge Afghane nach Schweden geflüchtet und stellte dort einen Asylantrag. Nachdem dieser abgelehnt wurde, kam er im März 2024 nach Hamburg und beantragte erneut Asyl. Das zuständige Bundesamt für Migration (BAMF) lehnte diesen jedoch ab, weil nach europäischem Recht Schweden für sein Verfahren zuständig ist nach der Dublin Verordnung. Daraufhin suchte der Mann Schutz im Kirchenasyl. Sein Antrag wurde erneut vom BAMF geprüft und abgelehnt.
Der Betroffene leidet unter einer psychischen Erkrankung, für die er in Schweden keine Hilfe findet, da Schweden abgelehnten Asylsuchenden keine Hilfen mehr gewährt, sondern sie in die Obdachlosigkeit entlässt. Zudem wurde er mit der Abschiebung nach Afghanistan bedroht. Nach deutschen Rechtsmaßstäben wäre ihm dagegen höchstwahrscheinlich ein Aufenthaltsrecht gewährt worden. Er wurde nun von Mitarbeitern der Polizei und des BAMF aus dem Kirchenasyl nach Schweden abgeschoben.
Kirchenasyl ist die zeitlich befristete Aufnahme von Geflüchteten, denen bei Abschiebung unzumutbare Härten drohen. Eine Kirchengemeinde entscheidet eigenständig, ob sie in einem individuellen Fall den Schutz gewährt. Sie kann dabei ein Netzwerk von Beratenden und Unterstützenden in Anspruch nehmen. Der kirchliche Rückhalt für das Kirchenasyl als christlich-humanitäre Menschenrechtsarbeit ist stark. Das Kirchenasyl hat eine lange Tradition, die bis in die vorchristliche Antike reicht.
Kirchenasyl hat in Deutschland keine rechtliche Grundlage, sodass Abschiebungen hier grundsätzlich möglich sind. In Deutschland basiert es auf einer informellen Vereinbarung zwischen Staat und Kirchen; Behörden verzichten in der Regel darauf, Personen im Kirchenasyl zwangsweise abzuholen. 1983 wurde es das erste Mal drei palästinensischen Familien in der Heilig-Kreuz-Kirche in Berlin gewährt. Seit 2015 besteht eine Vereinbarung zwischen den Kirchen und dem BAMF zum Umgang mit Kirchenasyl:
- Kirchengemeinden, die Kirchenasyl gewähren, kontaktieren das BAMF.
- Sie reichen ein Dossier ein, das die Gründe für das Kirchenasyl darlegen.
- Das BAMF prüft daraufhin den jeweiligen Fall erneut auf das Vorliegen eines Härtefalls.
Während des Prüfverfahrens werden in der Regel keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durchgeführt. Nach einer negativen Mitteilung des BAMF über die erneute Einzelfallprüfung können Abschiebungen durchgeführt werden.
Die Rolle des BAMF ist somit entscheidend für den Ausgang eines Kirchenasyls, wobei die genaue Handhabung zwischen den Bundesländern variiert.
In jüngster Zeit gehen Behörden verstärkt gegen das Kirchenasyl vor:
- Seit Sommer 2023 gab es sechs behördliche Stürmungen von Kirchen zur Beendigung des Kirchenasyls – mehr als in den zehn Jahren zuvor.
- Zwischen Juli 2023 und Juni 2024 wurden sieben versuchte oder vollzogene Räumungen eines Kirchenasyls dokumentiert.
Die Praxis der Abschiebung aus dem Kirchenasyl variiert stark zwischen den Bundesländern:
- Niedersachsen verzichtet auf Abschiebungen aus dem Kirchenasyl.
- Berlin sieht grundsätzlich von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen aus einem Kirchenasyl ab.
- Andere Länder wie Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen behalten sich Abschiebungen vor, sobald das BAMF eine Härtefallprüfung negativ beschieden hat.
- Hamburg hat bisher einmal in 1983 Menschen aus dem Kirchenasyl abgeschoben.
„Der Bruch des Kirchenasyls macht mich sehr betroffen“, sagte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, jede Räumung eines Kirchenasyls bedeutet für alle eine große Belastung. In Hamburg gibt es laut Innenbehörde aktuell 72 Fälle von Kirchenasyl.
Neu an diesem Hamburger Fall ist nicht die Sichtweise des BAMF: Dass das Bundesamt sich einer Asyl gewährenden Kirchengemeinde nicht anschließt, ist inzwischen der Normalfall. „2015/16 hat das BAMF noch ungefähr bei 80 Prozent der inhaltlich entschiedenen Härtefälle gesagt: Ja, das sehen wir auch so“, erzählt Dietlind Jochims, Pastorin und Flüchtlingsbeauftragte der evangelischen Nordkirche. Das aber geschehe „inzwischen so gut wie überhaupt nicht mehr“.
Es bleibt nun abzuwarten, wie sich das Kirchenasyl weiter entwickelt in Deutschland.