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Neuanfang

Du erinnerst dich an damals. Du erinnerst dich an die Grenzen, daran, dass du dasselbe Foto in deinem Unterhemd versteckt hast. Jedes Mal nach den Bombenangriffen hast du deinen Herzschlag gespürt... Eine Geschichte über das Erinnern und einen neuen Anfang

Neuanfang
Fotograf*in: Dimitar Donovski on Unsplash

Du gehst die Straße entlang. Schritt für Schritt. Du versuchst schneller zu laufen, aber dein Bein will nicht mitmachen. Du siehst die Bäume an der Straße. Eine Sekunde schaust du ohne zu blinzeln, du hörst zu. Nach einiger Zeit erreichst du ein großes Gebäude, dessen Fenster so hell erleuchtet sind, dass die Straße gegenüber in der Nacht strahlt. Du drehst dich um und entdeckst dein eigenes Blut auf dem Weg, den du gekommen bist. Dein Blick folgt der Spur bis zu deiner Hose, die wegen deines Blutes kaum mehr als eine grüne Uniform erkennbar ist. Dann schaust du auf das Gebäude und siehst die Krankenwagen, die davor geparkt sind. Du holst deinen Geldbeutel aus deiner Hosentasche. Ein vergilbtes Foto: eine Frau mit einem Kind in den Armen. Du steckst den Geldbeutel wieder ein und gehst weiter geradeaus, bis die Straße wieder ganz dunkel wird.

Du erinnerst dich an damals. Jetzt kannst du schneller laufen. Du erinnerst dich an die Grenzen, daran, dass du dasselbe Foto in deinem Unterhemd versteckt hattest. Jedes Mal nach den Bombenangriffen hast du deinen Herzschlag gespürt. Hast das Papier auf deiner Haut gefühlt, wie es die Muskeln deiner Brust bewegt haben. Dann konntest du wieder atmen und dein Herz beruhigen. Du gehst weiter und schaust nach vorne.

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Autorengruppe
Sorour-Keramat
Sorour war 16 als sie in Deutschland ankam. Die ersten zwei Jahre in Deutschland wohnte sie in mehreren Flüchtlingsunterkünften. Dort beobachtete sie das Unglück anderer Flüchtlinge, die aus verschiedenen Ecken dieser Welt in Deutschland Schutz suchten. Dass die anderen Menschen genau wie sie unter Heimatlosigkeit leiden und jeden Tag ein Stück von ihrer Identität verlieren, versetzte sie in tiefe Melancholie. Sie sah, wie schamlos Deutschland und andere europäischen Länder die Asylsuchenden abschieben und durch Europa treiben. Alle Herausforderungen, die die Geflüchteten in Deutschland und auf der Flucht haben, tragen dazu bei, dass sie heute Literatur als eine Form des Ausdrucks nutzt, um über das ganze Elend zu berichten.
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