Aufgrund der vielen Informationen, die aus Syrien kommen, gestaltet sich unsere Arbeit gerade schwierig. Es gibt Tausende von Details und Berichten, die sorgfältig ausgewertet werden müssen. Die zentrale Frage bleibt für mich dabei: Welche Informationen sind für dich besonders wichtig?
Fast alle Informationen benötigen Kontext, um sie richtig zu verstehen. Deshalb möchten wir dich in unsere Arbeit einbeziehen:
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Was ist aktuell passiert?Die Karte, die wir gestern präsentiert haben, hat sich bereits verändert. Die Hayat Tahrir al-Sham (HTS) und die Syrische Nationale Armee (SNA) haben weitere Dörfer im Norden von Hama unter ihre Kontrolle gebracht.
Gleichzeitig greift die SNA kurdische Kräfte im Westen von Aleppo an, mit dem Ziel, die Kurden, wie von der Türkei schon lange gefordert, auf die andere Seite des Euphrats zu verdrängen. Eine neue Entwicklung ist, dass kurdische Kräfte seit gestern Abend die syrische Armee in Deir ez-Zor nahe der irakischen Grenze angegriffen haben. Dabei konnten sie mehrere Dörfer einnehmen.
Hier sind ein paar wichtige Infos zu Deir ez-Zor:
- In der Region sind neben der syrischen Armee auch iranisch unterstützte Milizen und schiitische Kämpfer aktiv
- Besonders wichtig ist die Stadt Abu Kamal, ein strategischer Knotenpunkt an der Grenze zum Irak. Berichte deuten darauf hin, dass schiitische Milizen aus dem Irak die Grenze überqueren, um die syrische Regierung zu unterstützen.
- Sollten die Kurden die Kontrolle über die gesamte irakisch-syrische Grenze übernehmen, hätte dies weitreichende Folgen: Der Iran könnte Assad nicht mehr direkt militärisch unterstützen. Und die Verbindung zwischen dem Iran und der Hisbollah, die teilweise über den Irak verläuft, könnte unterbrochen werden.
Die Rebellen stehen vor den Toren der Stadt Hama. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie, wenn du diesen Newsletter liest, die Kontrolle über die Stadt übernommen haben. Damit wäre Hama nach Idlib und Aleppo die dritte große Stadt unter ihrer Kontrolle.
Die Offensive der Rebellen: Eine schnelle WendeAm 27. November begann eine Offensive der Rebellen, angeführt von HTS, die als dominierende Kraft im Nordwesten Syriens gilt. Innerhalb weniger Tage eroberten die Rebellen strategisch wichtige Vororte und schließlich die Stadt Aleppo.
Am Wochenende weiteten sie ihre Angriffe auf die südlicheren Regionen Hama und Homs aus. Die syrische Armee, überrascht von der Koordination und Stärke der Rebellen, zog sich in mehreren Gebieten zurück.
Die Eroberung Aleppos durch die Rebellen stellt einen schweren Rückschlag für das Assad-Regime dar. Aleppo, einst das wirtschaftliche Zentrum Syriens, hat eine immense strategische und symbolische Bedeutung. Der Verlust der Stadt könnte zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse führen.
Warum eskaliert die Lage jetzt?Seit 2020 blieb die Lage in Nordwest-Syrien weitgehend stabil, dank eines Abkommens zwischen Russland und der Türkei. Doch die jüngste Eskalation hat mehrere Ursachen:
Schwächung der Unterstützer der Assad-Regierung: Russland ist durch den Ukraine-Krieg militärisch gebunden, der Iran wird durch regionale Spannungen und interne Proteste belastet, und die Hisbollah erlitt erhebliche Verluste im Krieg mit Israel.
Frustration der Türkei: Die Türkei zeigt sich zunehmend unzufrieden mit dem Scheitern von Verhandlungen zwischen Assad und den Oppositionsgruppen.
Türkische Interessen: Die Türkei betrachtet die von den USA unterstützten kurdischen Kräfte als Bedrohung und versucht, diese in Syrien zu schwächen.
Der Einsatz von Drohnen: Eine neue Dimension
Die „Shahin-Brigaden“ und die „Saraya al-Uqab-Brigaden“, zwei neue Rebellengruppen, haben durch den Einsatz von Drohnen für Überraschung gesorgt. Ziele sind Panzer, Befestigungsanlagen, Truppenansammlungen und Nachschublinien der syrischen Armee.Neben lokal hergestellten Drohnen nutzen die Gruppen Berichten zufolge auch nicht explodierte russische Drohnen. Beobachter*innen sehen dies als eine qualitative Wende in der militärischen Strategie der Rebellen.
Die humanitäre Lage: Alte Wunden, neues LeidDie Eskalation hat die ohnehin katastrophale humanitäre Lage verschärft:
- Über 14.000 Menschen wurden laut UN allein in der vergangenen Woche vertrieben.
- Flüchtlingslager in Idlib und entlang der türkischen Grenze sind überfüllt und schlecht versorgt.
- Kälte, Hunger und fehlende medizinische Hilfe belasten die Menschen zusätzlich.
Wie geht es weiter?Die Angriffe der Hamas auf Israel und die darauffolgenden aggressiven israelischen Gegenschläge, kombiniert mit der Schwächung des Irans, haben die geopolitische Lage verändert. Das Machtvakuum, das dadurch entsteht, könnte neue Akteure in den Konflikt ziehen.
Die entscheidenden Fragen bleiben:
Wird Assad durch den zunehmenden Druck gezwungen, eine politische Lösung zu akzeptieren? Oder wird der Konflikt durch die Ambitionen regionaler und internationaler Akteure weiter angeheizt?Abonniere hier den Newsletter „syrien update“, um über aktuelle Geschehnisse informiert zu bleiben