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2 Jahre später: Wie der Tod von Jina Mahsa Amini Proteste im Iran entfachte

Heute vor genau zwei Jahren, am 16. September 2022, verstarb die junge Kurdin Jina Mahsa Amini unter mysteriösen Umständen. Ihr Tod entfacht landesweite Proteste im ganzen Iran und zieht internationale Aufmerksamkeit auf sich. Der kurdische Slogan „Frauen, Leben, Freiheit“ wird dabei zum Symbol dies

2 Jahre später: Wie der Tod von Jina Mahsa Amini Proteste im Iran entfachte
Fotograf*in: Artin Bakhan auf Unsplash

Es ist der 13. September 2022. Jina Mahsa Amini ist mit ihrer Familie in Teheran zu Besuch. In der U-Bahnstation Shahid Haghani wird die junge kurdische Frau von der iranischen Sittenpolizei verhaftet. Der Vorwurf: Sie habe ihren Hidschab nicht den Vorschriften entsprechend getragen und somit gegen die strengen islamischen Vorschriften verstoßen. Bei ihrer Festnahme wird sie mehrfach von den Beamten geschlagen. Ihr Bruder, Ashkan Amini, versucht noch, sie vor einer Verschleppung zu schützen, wird jedoch mit Tränengas außer Gefecht gesetzt.

Strenge Vorschriften für Frauen

Zum Hintergrund: Der Iran hat seit der Islamischen Revolution von 1979 strenge Vorschriften für die Kleidung von Frauen. Diese Vorschriften verlangen, dass Frauen ihr Haar mit einem Kopftuch bedecken und sich in langen, lockeren Kleidern oder Mänteln kleiden. Die Verstöße gegen diese Vorschriften werden durch die Sittenpolizei überwacht, die auch als „Gesetz zur Wahrung der öffentlichen Ordnung“ bekannt ist.

Jina Mahsa wird nach ihrer Verhaftung in eines der sogenannten Erziehungszentren gebracht, wo sie wenige Stunden später bewusstlos zusammenbricht und in das Krankenhaus Kasra überführt wird. Dort liegt sie drei Tage im Koma und verstirbt schließlich am 16. September. Die offizielle Todesursache von Seiten der iranischen Behörden: Ein Herzinfarkt und multiples Organversagen. Ihre Familie ist sich aber sicher, dass sie aufgrund von schweren Misshandlungen im Polizeigewahrsam gestorben ist.

Kundgebungen und Mahnwachen

Das Ableben von Jina Mahsa Amini schockiert vor allem die jungen Iraner*innen, und bereits kurz nach der Bekanntgabe ihres Todes versammeln sie sich am Teheraner Boulvard Arjantin zu einer ersten Kundgebung. Nahe Angehörige und weitere besorgte Menschen halten derweil vor dem Krankenhaus eine Mahnwache, bei der es zu weiteren Festnahmen kommt. Die iranischen Medien berichten, dass Jina Mahsa an multiplen Organversagen gestorben sei, durch Verletzungen, die sie sich bei einem Sturz zugezogen habe. Außerdem sei sie am Gehirn vorerkrankt gewesen, was schließlich zu ihrem Tod geführt habe.

Der Vater von Jina Mahsa Amini bestreitet dies jedoch bis heute vehement. Immer wieder klagt Amjad Amini an, dass die iranischen Regierungsorgane lügen und versuchen, die tatsächlichen Geschehnisse zu vertuschen. Laut ihm ist seine Tochter durch körperliche Misshandlungen im Polizeigewahrsam ums Leben gekommen.

Gegen das autoritäre Regime

Jina Mahsa Aminis Tod löst sofort weitreichende Proteste aus, zunächst in ihrer Heimatstadt Saqqez und in der Hauptstadt Teheran, später dann im ganzen Iran. Die Demonstrationen dauern mehrere Monate an und sind dabei besonders intensiv in städtischen Zentren wie Teheran, Isfahan oder auch Shiraz. Sie richten sich nicht nur gegen die Kleidervorschriften, sondern auch gegen das autoritäre Regime im Allgemeinen.

Die Proteste werden dabei besonders von Frauen und jungen Menschen getragen und sind in ihrer Intensität und Ausdauer bis heute außergewöhnlich. Die Forderungen der Protestierenden beinhalten mehr persönliche Freiheiten, Gleichberechtigung von Männern und Frauen sowie ein schnelles Ende der politischen Repressionen. Viele mutige Frauen demonstrieren öffentlich ohne Kopftuch, sie fordern grundlegende Rechte, es kommt zu weiteren Festnahmen.

Internationale Medien berichten

Der Tod von Jina Mahsa Amini und die darauf folgenden Proteste sind schnell auch Thema im Ausland. Viele Länder und Menschenrechtsorganisationen wie beispielsweise Amnesty International oder Human Right Watch verurteilen die Gewalt und die Unterdrückung, die im Iran gegen die Demonstrant*innen ausgeübt wird. Einige Regierungen verhängen entsprechende Sanktionen gegenüber dem iranischen Regime und versuchen, so Druck auszuüben. Auch in der internationalen Presse wird über die Proteste und Demonstrationen ausführlich berichtet. Globale Diskussionen über Frauenrechte und politische Repression im Iran werden angeregt.

Diskussionen um die Zukunft des Irans

Die Proteste haben das Bewusstsein für die Menschenrechtslage im Iran geschärft und die internationale Diskussion über die Repression und die sozialen Ungleichheiten im Land intensiviert. Auch wenn die Protestbewegungen mitunter unterdrückt wurden, haben sie eine breite Diskussion über die Zukunft des Iran und die Notwendigkeit für Reformen angestoßen. Und sie haben die Stimmen derjenigen verstärkt, die gegen die Unterdrückung kämpfen und sich für mehr Freiheit und Gleichheit einsetzen.

Frauen, Leben, Freiheit

Der Spruch „Frauen, Leben, Freiheit“ („Jin, Jiyan, Azadî“ auf Kurdisch) wurde dabei zum zentralen Motto dieser Protestbewegung. Er symbolisiert die Kernforderungen der Demonstranten. Das Wort „Frauen“ unterstreicht den Kampf für die Rechte und Gleichstellung von Frauen, die im Iran massiv unter strengen Kleidervorschriften und anderen diskriminierenden Gesetzen leiden. Darüber hinaus fordert er die Aufhebung von Gesetzen und Praktiken, die Frauen unterdrücken und ihnen ihre grundlegenden Rechte verweigern.

Weiterhin steht das Wort „Leben“ für die Forderung nach einem Leben in Würde und Sicherheit. Es umfasst das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit vor Gewalt und Unterdrückung, die viele Menschen im Iran und anderen Ländern erfahren. Das Wort „Freiheit“ bezieht sich dabei auf das Streben nach politischer Freiheit und persönlicher Autonomie. Es umfasst den Wunsch nach einem Ende der politischen Repression, der Zensur und der Kontrolle durch das autoritäre Regime. Darüber hinaus fordern die Protestierenden mehr persönliche Freiheiten und vor allem die Möglichkeit, ihre Meinung frei zu äußern, aber auch, sich frei versammeln zu dürfen.

Kurdische Wurzeln

Der Spruch „Jin, Jiyan, Azadî“ hat kurdische Wurzeln. Er wurde von kurdischen Frauen sowie der kurdischen Befreiungsbewegung geprägt. In den vergangenen Jahren haben vor allem die kurdische Bewegung in Syrien und die Arbeiterpartei Kurdistan, die PKK, diesen Spruch verwendet, mit dem Ziel, ihre Forderungen nach Gleichheit und Freiheit zu unterstreichen. Nach dem Tod von Jina Mahsa Amini und den darauffolgenden Protesten im Iran haben die Demonstranten diesen Spruch übernommen, wodurch er internationale Aufmerksamkeit erlangte. Heute ist er ein Symbol des Widerstands gegen Unterdrückung und für die Menschenrechte. Er steht dabei für einen grundlegenden Wandel hin zu mehr Gleichheit und Freiheit in der Gesellschaft und spiegelt die Kernanliegen der Protestbewegungen in verschiedenen Kontexten wider.

Solidarität

Der Tod von Jina Mahsa Amini markiert also einen tiefen und wichtigen Einschnitt in der iranischen Geschichte und hat schnell eine unglaubliche globale Resonanz gefunden. Und er hat einen Funken des Widerstands entzündet, der zu den landesweiten Protesten führte, die wir weiterhin im Blick behalten sollten.

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